"Ein anderes Leben": Das Corona-Tagebuch von Karl-Friedrich Lihra aus Timmendorfer Strand

Karl-Friedrich Lihra hat uns das Tagebuch zum Veröffentlichen zur Verfügung gestellt.

Doris und Karl-Friedrich Lihra aus Minden leben seit drei Jahren in Timmendorfer Strand. Die gesamte Familie lebt noch in Minden und der näheren Umgebung. (Foto: privat)
Doris und Karl-Friedrich Lihra aus Minden leben seit drei Jahren in Timmendorfer Strand. Die gesamte Familie lebt noch in Minden und der näheren Umgebung. (Foto: privat)

Timmendorfer Strand. Karl-Friedrich Lihra und seine Frau Doris leben seit drei Jahren in Timmendorfer Strand. Der gebürtige Mindener ist damals mit seiner Frau aus Minden an die Ostsee gezogen. In Minden hat er zuvor als selbstständiger Mineralölkaufmann gearbeitet, seine Frau war Bauamtsleiterin der Stadt Petershagen. Wie die Beiden die Corona-Krise in der Gemeinde Timmendorfer Strand und an der Ostsee erleben, hat der 68-Jährige in einem Corona-Tagebuch festgehalten. Karl-Friedrich Lihra hat uns das Tagebuch zum Veröffentlichen zur Verfügung gestellt. Wir veröffentlichen es auch in ungekürzter Form und sagen Danke!

Samstag, 14. März 2020

Es ist Samstag. Irgendwie mutet das Leben anders an. Doris und ich sehen alles mit gemischten Gefühlen. In den Medien, in der Presse, überall nur ein Thema. Aber wir wollen uns nicht verrückt machen lassen. Ist das nicht alles ein wenig übertrieben? Wir stellen uns solche und ähnliche Fragen. Klar, das Virus scheint näher zu kommen. Aber hierher?

Wir entschließen uns erst einmal das schöne Wetter zu nutzen und fahren nach Travemünde. Raus in die Sonne, einen Spaziergang machen, uns den wenigen Wind um die Nase wehen zu lassen. Wir stellen unser Auto auf dem Rewe-Parkplatz ab und gehen durch den Hafen. Überall sitzen die Urlauber und vielen Tagesgäste in der Sonne. Die Fischbuden im Hafen sind vollbesetzt. Die Leute genießen Sonne, Fischbrötchen, Wein, Bier und Aperol Spritz. Wir gehen weiter zum Fährplatz, setzen auf den Priwall über und laufen an der Wasserkante zum Beach Bay. Überall flanieren die Menschen. Das neue Hotel hat seit gestern geöffnet. Auch der angeschlossene Bäcker. Wir kaufen uns zwei Laugenstangen und gehen bis zum „Ahoi“ von Steffen Henssler. Innen ist alles voll. Wir wollten aber sowieso in der Sonne bleiben und setzen uns auf die noch nicht geöffnete Terrasse, da dafür wohl noch die Konzession fehlt. Aber einige Stühle sind schon da und auch vier Tische. Ich gehe rein und hole uns zwei Glas Grauburgunder, die wir in der Sonne trinken. Aber nicht einfach so. Nein, wir sind schon vorsichtig geworden. Doris hat uns Plastikbecker bei Rossmann gekauft. Nun schütten wir den Wein in die mitgebrachten Becher, damit wir die fremden Gläser nicht benutzen müssen. Auch habe ich die Türgriffe im Restaurantbereich nur mit einem Papiertaschentuch angefasst, welches ich entsorge. Und unsere Hände desinfizieren wir ebenfalls sofort mit dem mitgebrachten Mittel. Es soll unser wichtigstes Verhütungsmittel sein, neben den Plastikbechern und Händewaschen.

Nach einer Stunde brechen wir wieder auf. Wir wollen noch eine Kleinigkeit zu Abend essen. In einem Lokal am Rosenhof, mit Blick auf die Trave und die vorüberfahrenden dicken Fähren. Wir kommen an der Kultkaffeebude an der Promenade vorbei. Dort ist dichtes Gedränge von Einheimischen und Tagesgästen. In großen Pulks stehen sie dort und genießen ihre Getränke und unterhalten sich.

Im Lokal angekommen, sehen wir, dass es nicht so voll wie üblich ist. Wir können uns einen Tisch am Fenster aussuchen, essen gemütlich und beobachten die Schiffe. Als wir unsere Mäntel anziehen, bekomme ich ein Gespräch des Wirtes mit, der ein paar Stammgästen erzählt, sie hätten jetzt noch viel Arbeit. Ab Montag müsse zwischen allen Tischen ein Zwischenraum von zwei Metern sein. Sie würden gleich noch umräumen. Das wäre ein Beschluss der Landesregierung. Wir nehmen die Fähre und fahren etwas ungläubig und zunehmend beklommen zurück zum Fährplatz, um dann zu unserem Auto zu gehen. Zuhause reden wir noch lange über diesen Tag und was er alles so Außergewöhnliches gebracht hat.

Sonntag, 15. März 2020

Sonntag, ein Tag, der anders ist. Die Gottesdienste in den Kirchen sind ausgesetzt. Auch in unserer Gemeinde. Zum ersten Mal sitzen wir am Computer und hören auf YouTube einen Gottesdienst, der aus Dortmund übertragen wird. Ohne Abendmahl. Nur mit „Vater unser“. Zum Beten stehen wir aus unseren Sesseln auf und beten laut mit. Wenn jemand an unserem Wohnzimmer vorbeigehen würde, müsste der auch denken: „Was treiben die denn da?“ Aber außergewöhnliche Zeiten verlangen außergewöhnliche Dinge. Nach dem Gottesdienst wird gefrühstückt.

Der Ort ist wieder brechend voll. Alle Cafés sind besetzt. Dicht an dicht. Krisenzeiten sehen anders aus. Und was ist mit der Abstandsregelung, von der wir gestern gehört haben? Wir fahren lieber wieder heim. Sicher ist sicher.

Montag, 16. März 2020

Das Virus kommt näher. Wir beschließen bei dem schönen Wetter eine Fahrradtour zu machen. Nach einem ausgiebigen Frühstück, dem Lesen der Tageszeitungen und neuesten Informationen über das Virus, fahren wir los. Erst einmal zur Seebrücke nach Timmendorf. Mal schauen, was dort los ist. Alles ganz normal. Die Gäste flanieren auf der Brücke, auf der Promenade und in der Strandallee. Der Ort ist voll. Wir fahren weiter zu unserem Strandabschnitt, wo wir unseren Jahresstrandkorb haben. Der Vermieter hat ein neues Strandkorbhäuschen bekommen, welches wir bestaunen. Wir setzen uns auf die Bank in der Sonne und genießen diese. Wir träumen schon einmal vom Sommer. Herrlich, in sechs Wochen spätestens steht unser Strandkorb hier wieder und wir können wieder sonnen, lesen und das Wasser sehen und fühlen. Freude kommt auf.

Dann schwingen wir uns auf die Räder und fahren nach Scharbeutz, immer am Strand lang. Im Café „Sunset“ machen wir Halt. Doris und ich bestellen uns ein Gläschen Wein, schütten diesen wieder in unsere mitgebrachten Plastikbecher und lassen uns von der Sonne verwöhnen. Seltsam ist schon, dass die Tische weiter auseinander stehen. Aber, das soll ja auch so sein. Die Gäste kommen und gehen. Es herrscht ein reges Treiben. Trotzdem, irgendwie ist die Stimmung anders als an den Tagen zuvor.

Dienstag, 17. März 2020

Das Virus ist da! Es wird spürbar. Schleswig Holstein ist von der Welle erfasst worden. Der erste Virustote in Lübeck. Die Infektionen nehmen rasant zu. Die Landesregierung tagt nur noch zu dem Thema. In den Lübecker Nachrichten gibt es kaum andere Berichte. Doris schickt mich zum Einkaufen. Kauf mal einige Dinge mehr ein, damit wir nicht jeden Tag losmüssen. Je weniger Kontakt wir auf engstem Raum haben, umso besser. Ich fahre los zu unserem Nachbarn, dem Obsthof Knoop. Einen Rotkohl soll ich holen, anderes Gemüse und ein wenig Obst. Ich betrete den Hofladen und staune. Alle Kisten sind leer. Ein paar Stangen Lauch, ein paar Champignons, Weintrauben und 20 Äpfel. Das ist alles. Kein Kohl, kein Gemüse, keine Kartoffeln – Nichts! Gähnende Leere. Auf meine Frage, ob sie denn keinen Rotkohl haben, bekomme ich zur Antwort, dass heute keine Lieferung gekommen sei. Das wäre der Rest.

Ich fahre zu Famila. In dem großen Supermarkt sind nicht viele Kunden. In der Gemüseabteilung bekomme ich den letzten Rotkohl. Daneben liegt noch ein Spitzkohl. Den nehme ich auch gleich mit. Toilettenpapier gibt es nicht. Äpfel und Orangen ja. Die Konservenregale sind sehr überschaubar gefüllt. Viele Sorten fehlen. Salz sollt ich noch kaufen. Nichts!!! Kein Salz. Nicht eine Packung. Auch kein Mehl. Dafür Zucker reichlich. Beim Quark sieht es ähnlich aus. Einige Sorten sind da, andere wiederum gar nicht. Eigentlich ist es im ganzen Laden so. Nur die Frischetheken vom Käse und Fleisch sind berstend voll. Ich kaufe etwas mehr als ich eigentlich wollte, weil ich schon ein komisches Gefühl im Magen habe. Nimm mal mehr mit, denke ich mir, wer weiß was morgen ist. Und dann zum Bäcker am Eingang des Ladens. 4 Brötchen kaufen. Kein Problem. Die Brötchen werden in die Tüte gepackt. Dann fragt mich die Verkäuferin wie ich zahlen möchte. Bar oder mit Karte. 1,22 Euro mit Karte? Ich sage, ich zahle bar. Da schiebt sie mir eine Liste über die Theke. Darin soll ich mich eintragen. Mit vollständiger Anschrift und Namen. Falls eine Infektion durch einen Kunden ausbricht, könne man mich dann erreichen und zum Test schicken. Ich zahle mit Karte!

Etwas deprimiert fahre ich nach Hause und berichte Doris davon. Irgendwie kommt so ein kleines Gefühl von Panik bei uns auf. Am Spätnachmittag entschließen wir uns, noch einmal ins Dorf zu fahren um zu schauen, wie es dort aussieht. Die Landesregierung hat inzwischen beschlossen, die Inseln dicht zu machen, die Urlauber nach Hause zu schicken und alle Restaurants in Schleswig Holstein um 18 Uhr zu schließen.

Ebenso die anderen Geschäfte, außer dem Lebenmitteleinzelhandel, Apotheken, Frisören und ein paar wenigen anderen Branchen. Dabei gilt bei uns seit Sonntag doch wieder die Bäderregelung. Sonntags dürfen die Geschäfte wieder öffnen.

Wir stellen das Auto am Rathaus ab und gehen über den Timmendorfer Platz in die Strandallee. In den Cafés brennen innen noch die Lichter. Ab es niemand ist darin. Geschlossen. Café Wichtig, Café Fitz, alles zu. Kein Mensch. Vor Gosch sitzen noch die Angestellten und trinken ein letztes Gläschen zum Feierabend. Keine Gäste. Zu! Die Restaurants sind alle dicht. Im Maritim Seehotel brennt auf den 15 Etagen noch Licht in sieben Zimmern. Das ist schon gespenstisch. Nach einer halben Stunde kehren wir heim. So etwas haben wir noch nie erlebt. Hier in Timmendorf, wo auch außerhalb der Saison sich am Wochenende Gäste zu tausenden die Promenade, die Cafés und Restaurants bevölkerten, ist alles tot. Kaum ein Mensch auf der Straße. Alles zu. Uns wird jetzt sehr mulmig.

Mittwoch, 18. März 2020

Ich fahre noch einmal einkaufen. Heute in das LUV-Center in Lübeck. Eine riesige Shopping-Mall, nur 10 Autominuten von uns entfernt. Ikea ist dort, Saturn, ca. 100 Geschäfte, von Bekleidung über Sportgeschäfte, Schuhläden, Restaurants, Edeka, Weinhändler, Apotheke, Parfümerien und viele, viele mehr. Ich fahre auf den großen Parkplatz und sehe vielleicht 20 Autos, die sich dort verloren haben. Vor der großen Eingangstür steht Security-Personal und lächelt mich freundlich an. Das kommt mir schon komisch vor. Ich gehe zum Edeka Markt, gleich neben Saturn. Dort wieder Security.

Saturn hat die Jalousien geschlossen. Das Nagelstudio daneben ebenso. Ich gehe erst einmal in den Edeka-Laden. Der Automat mit sterilen Tüchern neben den Einkaufswagen ist leer. Ich nehme mir aus dem Handtuchspender drei Handtücher und wickele sie um den Griff des Wagens und ziehe los. Gemüse gibt es einigermaßen. Aber dann packt mich der Schreck. Ein großes Regal von ca. 15 Metern Länge, dort lagert normalerweise Toilettenpapier und Haushaltsrollen, ist leer. Auf 15 Metern nichts! Wieso ist Toilettenpapier leer? Kann mir das bitte jemand einmal erklären? Beim Quark ist wieder nur die Hälfte da. Also packe ich erst einmal Eier ein. 20 Stück, denn man weiß ja nie. Und so zieht es sich durch den riesigen Markt. Überall sind Angestellte dabei, die vorhandenen Waren auseinander zu ziehen, damit die Lücken nicht so groß sind. Der Schock erreicht mich an den Frischetheken. Fleisch ist reichlich da, Wurst auch. Auch hier kaufe ich etwas mehr. Zwei Schnitzel, zwei Steaks, zwei Hähnchenbrüste, Lammlachse. Alles zum Einfrieren zuhause. Auch etwas Schinken nehme ich noch mit. Dann schaue ich zur Seite. Dort, wo normalerweise eine ebenfalls 15 Meter lange Frischetheke mit Käse ist, ist nichts mehr. Abgebaut! Dafür stehen da jetzt ein paar flache Regale mit ein paar Würstchendosen und Konserven. Wenig, aber ein paar sind in den Regalen. Auf meine Frage, ob sie die Käseabteilung woanders aufgebaut hätten, treten der Verkäuferin die Tränen in die Augen. „Wir haben keine Ware mehr und wissen auch nicht, wann wir welche bekommen. Darum haben wir die Käsetheke geschlossen und abgebaut.“ Ich bin schockiert und begebe mich Richtung Ausgang. Dort hat eine Kasse geöffnet und ich bin der einzige Kunde.

Nun gehe ich doch noch durch die Shopping Mall. 85 Prozent der Läden haben ihre Rollos geschlossen. Alles dicht, verriegelt und verrammelt. Nur die Security in den leeren Gängen passt auf, dass niemand auf dumme Gedanken kommt. Schnell nehme ich vom Weinhändler noch ein paar Flaschen Wein für die nächsten Abende mit, da ja im Ort nichts mehr auf hat. Auch auf seinen Rat höre ich. „Nehmen Sie ein paar Flaschen Wein mehr mit, Herr Lihra, ab morgen haben wir ebenfalls geschlossen.“

Auf dem Rückweg fahre ich über Ratekau zurück. Mal sehen, ob ich den Rest, den ich besorgen wollte, dort beim Rewe bekomme. Ja, das Mineralwasser bekomme ich dort, auch den fehlende Frühlingsquark und die Bio-Zitronen. Das war es. Auf dem Weg zur Kasse sehe ich dort ebenfalls die Angestellten die Waren in den Regalen auseinanderziehen. So füllt man die Lücken halt auch. Und an der Kasse stehen wirklich so viel Kunden, dass eine zweite aufgemacht werden muss. Die Leute halten Abstand. Nur zwei Männer nicht. Die rücken mir so dicht auf den Pelz, dass ich sie bitte, Abstand zu halten. Darauf sagt der eine zu mir: „Was machst du hier überhaupt? Bleib doch zuhause, wenn du zur Risikogruppe gehörst!“ Daraufhin habe ich ihm Schläge angedroht. Er ging ein paar Schritte zurück und brummelte etwas in seinen ungepflegten Bart.

Zuhause erzählte ich Doris von meinem Erleben. Wir beschlossen daraufhin, erst einmal den Frühjahrsputz zu erledigen und uns damit zu beschäftigen. Inzwischen hatte die Landesregierung beschlossen, alle Touristen nach Hause zu schicken und die Restaurants ganz zu schließen. Nichts geht mehr in Timmendorfer Strand. Nur noch Lebensmittel kann man kaufen, Arzneien in der Apotheke, viel mehr ist nicht geöffnet. Am Abend fuhren wir trotzdem noch einmal ins Dorf. Gespenstisch. 10 Leute auf der Straße, alle Geschäfte geschlossen, die großen Hotels alle dunkel. Nur ein besoffener Radfahrer pöbelte uns an. Wir riefen ihm ein paar gehörige Worte hinterher, weil er nur in 20 Zentimetern Abstand an uns vorbeigefahren war. Daraufhin wollte er umkehren, vielleicht um uns Ärger zu machen. Aber beim Bremsen fiel er mit seinem Fahrrad um und lag auf der Nase. Das hatte er nun davon. Auf dem Weg zum Auto bekamen wir von einem Hotelier noch mit, dass man überlegt, einige Hotels zu Krankenhäusern umzuwandeln, da sie ja nun leer stehen und man Betten dringend benötigt. Wo soll das noch enden?

Donnerstag, 19. März 2020

Was werden wir heute tun, überlegen Doris und ich mir beim Frühstück. Uns fehlt die richtige Idee. Also gammeln wir den ganzen Tag ein wenig rum. Ich führe dieses Tagebuch am Computer, Doris liest. Zwischendurch schauen wir NTV um die neuesten Nachrichten über das Virus mitzubekommen. NDR Welle Nord läuft ununterbrochen. Irgendwie fürchterlich langweilig. Das sind wir eigentlich nicht gewohnt.

Normalerweise gehen wir viel am Strand spazieren, fahren Fahrrad oder spielen Golf. Golfen ist verboten. Unser Golfclub hat geschlossen. Auch die Driving Ranch. Spaziergang? Nee, wer weiß was da los ist. Wir wollen uns und niemand anderes anstecken. Aus Langeweile hole ich mir den Spitzkohl aus dem Kühlschrank und fertige daraus einen Krautsalat. Den können wir morgen essen. Dann ist er gut durchgezogen. Aber irgendwann beschließen wir am Spätnachmittag uns in das Auto zu setzen und die Küste abzufahren. Wir fahren nach Travemünde in die „Vorderreihe“. Das ist die Geschäftsstraße direkt am Trave Ufer. Alles dicht. Ein paar vereinzelte Fußgänger, die mit ihrem Hund Gassi gehen. Sonst alles tot. Eine große Fähre der „DFDS Seaways“, die „Corona Sea“, fährt mit ihren 28.000 Bruttoregistertonnen in Travemünde ein. Wir schauen uns an. Ist das ein Zeichen vom Himmel? Nee, lieber Gott, mach mit uns bitte keine Witze in dieser Situation. Irgendwie reicht es uns schon jetzt.

Wir fahren wieder zurück nach Timmendorfer Strand. Alles dicht. In den großen Hotels brennt das Licht in den Treppenhäusern und die Außenbeleuchtung. Sonst alles dunkel. Die kleinen Hotels sind meist ganz dunkel. Auch hier kaum ein Mensch auf der Straße. Wozu auch? Was soll er da in diesen öden Zeiten?

Weiter nach Scharbeutz. Einer der Hotspots an der Ostsee. Leer. Wie ausgestorben. Die Restaurants haben, wie in Timmendorfer Strand, ihre Außenbeleuchtung brennen. Innen alles dunkel. Das Bayside direkt am Strand, ein großes Hotel mit über 200 Betten, ist im Jahresdurchschnitt zu 98 Prozent ausgebucht. Nun ist es dunkel. Nur die Notbeleuchtung brennt. Das Sunset, wo wir Montag noch in der Sonne saßen, hat die Terrasse mit Flatterband abgesperrt. Innen brennt Licht und die Tür ist einen Spalt geöffnet. Sie haben nun einen Essenbringdienst eingerichtet und man kann Pizza abholen. Trotzdem, kein Mensch weit und breit.
Nun weiter am Strand entlang nach Haffkrug. Dort ist alles dunkel. Wie vor dem Fliegerangriff. Nicht einmal eine Notbeleuchtung brennt vor den Geschäften und Restaurants. Nur die Straßenlaternen sind an. Ab nach Hause. Es reicht uns.

Den Abend verbringen wir vor dem Fernseher und schauen uns Sondersendungen über das Coronavirus an. Um Mitternacht reicht es uns und wir gehen zu Bett.

Freitag, 20. März 2020

Aufstehen! Ich hatte gestern ja noch Fisch im Niendorfer Hafen bei einem Fischer bestellt. Ich muss um 11 Uhr dort sein und 700 Gramm Dorschfilet abholen. Zappelfrisch. Der Fischer, bei dem ich sonst kaufe, hatte mir gestern abgesagt. Sie fahren nicht mehr auf die Ostsee. Es gibt keine Kunden mehr für den frischen Fisch. Die Restaurants haben geschlossen. Die Landesregierung will es so. Die Gäste in den Ferienwohnungen wurden nach Hause geschickt. Auch die kaufen keinen Fisch mehr. Er würde somit vergammeln. Also fahren sie nicht mehr raus. Aber bei „Schupp din Fisch“ gibt es noch welchen. Ich soll ihn um 11 Uhr im Hafen abholen.

Als ich dort ankomme, hatte gerade ein „Beerdigungsschiff“ angelegt. Mit diesen Schiffen werden Seebestattungen durchgeführt. Rund 30 Leute in Trauerkleidung kommen mir entgegen. Immer zu viert oder fünft nebeneinander. Laut schwatzend. Aber Platz wollen sie mir scheinbar nicht machen. Also setze ich mich solange wieder in das Auto und warte, bis die Gesellschaft vorüber ist. Haben die den Ernst der Lage noch nicht begriffen? Es sieht so aus.

Dann gehe ich zur Verkaufsbude des Fischers. Ein großer Aufsteller steht davor mit der Aufschrift: „Bitte Abstand halten“. Vor dem Thresen ist ein Kunde und wartet auf das filetieren seines Fisches. Ich stelle mich in gehörigen Abstand dahinter. So ca. 4 Meter. Da kommt eine ältere Dame an, stellt sich ganz dicht an den anderen Kunden, fasst munter auf die Theke und tatscht überall drauf herum.

Abstand halten? Quatsch. Sie berührt mit ihrer Schulter die des anderen Kunden. Der zuckt zusammen und geht ein Stück weg. Die ältere Dame bekommt nun auch noch Unterstützung von ihrem gehbehinderten Mann. Was ist das denn da für ein Fisch, will sie wissen. Und der der da? Wir kommen gerade vom Arzt, erzählt sie weiter. Und jetzt wollen wir noch Fisch kaufen. Ich halte es kaum aus. Als sie endlich weg sind, gehe ich an die Bude und hole meinen Fisch ab.

Auf dem Rückweg fahre ich durch den Ort. Kaum Menschen. Aber die, die auf der Straße sind, sind fast alle zwischen 75 und 85 Jahren. Sie stehen fröhlich in Gruppen zu mehreren zusammen und erzählen sich vielleicht die neuesten Dönekens. Von Vorsicht ist keine Spur. Im Radio hörte ich von Corona-Partys, die die Jugend veranstaltet. Aber junge Leute sehe ich nicht. Nur diejenigen, die sehr gefährdet sind und auf die alle Rücksicht nehmen sollen. Aber sie selbst nehmen die scheinbar nicht. Im Moment verstehe ich die Welt nicht mehr.

Am Nachmittag sage ich unseren Urlaub ab. Wir sind das erste Mai-Wochenende zu einer Geburtstagsfeier nach Bückeburg eingeladen. 16 Freunde sind von dem Geburtstagskind zu einem wunderschönen gemeinsamen Wochenende geladen. Daraus wird nichts. Wir wollten dann eigentlich an dem Sonntag mit dem Flieger von Hannover bis München fliegen und von dort aus mit einem Leihwagen weiter in das Allgäu. Geht ja nun nicht mehr. Wir wollen uns nicht mehr ins Flugzeug setzen. Also rufe ich die Lufthansa an, bei der wir gebucht haben. Bitte stornieren. Das ist kein Problem. Nur von den 400 Euro, die der Flug gekostet hat, bekommen wir nur 150 Euro zurück. Der Rest wird nicht erstattet. Mit welcher Begründung eigentlich? Egal, Hauptsache wir bleiben gesund. Das Hotel ist kulanter. Die Stornierung geht ohne Kosten über die Bühne. Am Wochenende nach der Feier hätte unser Großneffe im Raum Augsburg Konfirmation. Wir wollten vom Allgäu aus dorthin. Hatten auch dort ein Doppelzimmer gebucht. Auch dieses konnten wir ohne Kosten stornieren. Nun bleiben wir halt zuhause und warten auf die Dinge, die noch kommen.

Die neueste Meldung aus den Lübecker Nachrichten und auf TiNi24.de: Timmendorfer Strand sperrt an diesem Wochenende alle Großparkplätze und die beiden Seebrücken in Timmendorf und Niendorf. Der Grund: Am letzten Wochenende war der Ort von Touristen und Tagesgästen so überlaufen, dass es keine Möglichkeit gab, Abstand zu halten. Auch saßen die Menschen unbeschwert dicht an dicht in Restaurants und Cafés. Das soll nicht wieder passieren. Um Tagesgästen aus der Umgebung und Hamburg keinen Anreiz zu bieten, Timmendorfer Strand zu besuchen, werden von heute bis einschließlich Sonntag alle kostenfreien Großparkplätze gesperrt und ebenso die Seebrücken. Timmendorf macht sich absichtlich hässlich. Für die einen vielleicht ein Ärgernis, uns freut es.

Samstag, 21. März 2020

Heute ist Samstag. Gestern Abend sprach unser Ministerpräsident Daniel Günther noch einmal ganz eindringlich zu seinen Menschen in Schleswig Holstein. „Enttäuscht uns nicht! Haltet euch bitte an die Anweisungen!“ Okay, wer es jetzt noch nicht begriffen hat, dem ist wohl kaum noch zu helfen. Aber wie soll es weitergehen? Ich bin zweiter Vorsitzender im Shantychor Timmendorfer Strand. Wir hätten morgen unser erstes Konzert in dieser Saison in Bad Schwartau. Das ist schon vor einer guten Woche abgesagt worden. Auch alle Chorproben sind erst einmal ausgesetzt. Nun erreicht mich heute die nächste Absage. Schon den Mai betreffend. Am 1. Mai ist unser nächstes Konzert im Hafen von Niendorf. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das stattfindet. Auch bei einer Hochzeit sollen wir vor dem Standesamt einen Auftritt haben. Das wird wohl auch nichts, schätze ich. Wie geht es weiter?

Unser Chorleiter ist als selbstständiger Unternehmer in einer Musikschule angestellt. Die ist geschlossen. Nun brechen ihm seine Konzerte, die er als Musiker angenommen hatte, weg. Auch die unsrigen. Verdienstausfall. Keine Absicherung. Auch unser Bass-Gitarrist ist selbstständig. Ebenso ohne Einnahmen. Ich habe mit beiden gesprochen, ob der Chor ihnen mit einem Vorschuss auf die vielleicht noch kommende Saison helfen kann. Im Moment, so sagten beide, kommen sie noch klar. Ja, die Situation ist nicht einfach. Und unser Vorstand hat beschlossen, wenn es nötig wird, den beiden zu helfen. Alle anderen Musiker, die in unserer Combo spielen, haben einen anderen Job und sind somit abgesichert.

Freunde von uns kommen morgen von den Kanarischen Inseln zurück. Sie sind dort gestrandet. Wenn sie zuhause sind, müssen sie in häusliche Quarantäne. Auch hier ist Hilfe nötig. Einkaufen, damit sie versorgt sind. Aber auch das werden wir irgendwie hinbekommen. Außergewöhnliche Zeiten erfordern auch im Kleinen außergewöhnliche Maßnahmen.

Sonntag, 22. März 2020

Es ist Sonntag. Heute tagen die Ministerpräsidenten und unsere Kanzlerin per Videoschalte. Heute Abend will die Kanzlerin die Beschlüsse dem deutschen Volk bekanntgeben.

Was wird kommen? Irgendwie haben Doris und ich ein bedrückendes Gefühl in der Magengegend. Der Himmel ist stahlblau, es ist kalt obwohl die Sonne aus allen Löchern scheint. Und kalt ist es irgendwie auch um uns herum. Und trotzdem, wir wissen, den Mut dürfen wir nicht verlieren. Dazu besteht auch kein Anlass. Aber das Leben ist anders.

Doris und ich sind Christen und gehen am Sonntag in den Gottesdienst. Aber das geht nun nicht mehr. Die Gemeinde fehlt uns. Das herzliche Begrüßen, die Nähe der anderen, der Plausch bei Keksen und Kirchenkaffee nach dem Gottesdienst. Wie schön ist das immer, wenn man sich umarmt, wenn man erzählt, was man in der Woche so gemacht hat, was die Familie macht, was man heute und in der Woche noch so vorhat. Die Einladungen zum Frühstück oder Abendessen, zu Käse und Wein mit Bekannten und Freunden aus der Gemeinde vermissen wir. Stattdessen sitzen wir wieder vor dem Computer und hören den Gottesdienst bei You Tube. Ohne Chorgesang, zwar mit Orgelmusik. Aber die Kirche ist leer. Bei den Liedern stehen wir auf und singen mit. Beim Gebet auch. Irgendwie ist das seltsam. Vor uns stehen zwei Tassen Kaffee, aus denen wir hin und wieder trinken. In welchem Gottesdienst gibt es eigentlich so etwas? Es ist anders.

Nach dem Gottesdienst wird gefrühstückt. Wie jeden Sonntag. Beim Frühstück reden wir noch über die Predigt. Wie eindringlich wir auch dort daraufhin gewiesen wurden, die Verordnungen der Politiker und Wissenschaftler zu beachten. Und wie sehr wir den Menschen die unser Leben in Gang halten, den Ärzten und dem Pflegepersonal, den Verkäuferinnen und Kassiererinnen in dem Lebensmittelgeschäften, den LKW-Fahrern und all den anderen die für uns da sind damit es weitergeht, dankbar sein müssen. Dabei fällt uns ein, dass ja gestern Abend die Menschen eigentlich um 20:00 Uhr auf den Balkon, auf die Terrasse, an die offenen Fenster treten sollten, um all diesen Menschen Applaus zu spenden und sich damit bei ihnen zu bedanken. Wir haben das gemacht. Wir standen auf der Terrasse und spendeten über zwei Minuten Beifall. Nur, wir waren in unserer Straße die einzigen. Kein Mensch sonst applaudierte. Ist es den Leuten egal, dass es Mitbürger gibt, die sich für uns zurzeit aufopfern? Uns ist das unverständlich. Es ist doch nur eine kleine Geste. Ist das zu viel?

Am Nachmittag machen Doris und ich einen Spaziergang. Auf die Promenade wollen wir nicht. Dort sind vielleicht viele unterwegs und da sie nicht breit ist, kann man den Abstand dann nicht halten. Also gehen wir den kleinen Berg hinter unserer Wohnung hoch und über den Feldweg durch die Wiesen. Weit vor uns unsere Nachbarn. So breit ist der Weg hier auch nicht, dass man bei einer Begegnung den Abstand halten kann. Aber irgendwann kommt der Moment dann doch. Wir bleiben in gehörigem Abstand voneinander stehen. Ich glaube es lagen rund vier bis fünf Meter zwischen uns. Wir unterhalten uns, auch über das Leben zurzeit in Timmendorfer Strand. Nach ein paar Minuten verabschieden wir uns und gehen weiter. Sie haben die gleichen Sorgen wie wir. Fazit des Gesprächs: Man sollte sein Geld nicht, wie viele im Moment, in Toilettenpapier anlegen, sondern lieber in Rotwein. So ganz bierernst darf man das Leben halt auch in den heutigen Tagen nicht nehmen. Auf dem Rückweg begegnen wir noch zwei anderen Nachbarn. Das gleiche Prozedere. Abstand halten, Gespräch über dies und das und weiter nach Hause.

Am Abend spricht die Kanzlerin und erläutert die Beschlüsse. Das Ausgehverbot ist nicht dabei. Aber das Versammlungsverbot. Nicht mehr als zwei Menschen, die nicht in einem gemeinsamen Haushalt leben, dürfen zusammen auf die Straße oder zum Einkaufen. Unsere Freiheit wird notwendigermaßen ein weiteres Stück eingeschränkt. Unsere Beklemmungen vom Morgen haben uns nicht getrogen. Morgen werden wir sehen, wie das Leben weiter funktioniert.

Montag, der 23. März 2020

Tag eins nach dem Versammlungsverbot. Was wird der Tag für Doris und mich bringen? Draußen scheint die Sonne von einem stahlblauen Himmel. Aber es ist sehr kalt dabei. 1 Grad plus, heute Nacht waren es minus 5 Grad. Normalerweise würden wir uns bei solch schönem Wetter die Fahrräder schnappen und an den Strand fahren. Dort einen stundenlangen Spaziergang am Wasser unternehmen. Aber das geht ja nun alles nicht mehr. Wir sollen vernünftig sein und zuhause bleiben. Bis auf die wichtigen Dinge, die sein müssen, sollen wir das Haus oder die Wohnung nicht verlassen. Und danach werden wir uns richten. Wir werden sehen, wie der Tag verläuft.

Gestern hatten wir ein Telefongespräch mit einem bekannten Redakteur. Er informierte uns, dass die zuständigen Stellen in Politik und Wissenschaft der Meinung sind, dass sich noch viel mehr Leute anstecken würden und die Möglichkeit dazu beim Einkaufen sehr, sehr groß ist. Wir sollten das so gut es geht vermeiden. Also werden wir uns heute eine Einkaufsliste anfertigen, was alles für über eine Woche im Haus sein muss, damit wir nicht in die Läden müssen. Und morgen, Dienstag, werden wir uns diese Dinge besorgen. Dienstag, so hoffen wir, sind die Läden leerer, da sich die Menschen nach dem Wochenende am Montag schon versorgt haben. Es wird sich herausstellen, ob das wirklich zutrifft.

Eben kam eine Whats App von unseren Freunden, die auf Fuerte gestrandet waren. Sie haben gestern tatsächlich einen Rückflug bekommen, so wie sie es geplant hatten. Nicht nach Hamburg, von wo sie abgeflogen sind, sondern nach Düsseldorf. Anschließend wollten Sie sich gegen Mitternacht von einem heimischen Unternehmen mit der Taxe abholen lassen, da sie die Zugfahrt unbedingt vermeiden wollten. Nun schreiben sie, es ist alles wieder anders gekommen. Sie bekamen von dem Taxiunternehmen einen Anruf, er dürfte sie nicht mehr fahren, da sie dann zu dritt im Auto sitzen würden. Das sei ja seit gestern Nachmittag verboten, wenn die Personen nicht in einem Haushalt wohnen. Also, so schrieben sie weiter, haben sie sich in einem Hotel am Flughafen ein Zimmer besorgt und dort geschlafen. Jetzt werden sie gleich mit einem Leihwagen nach Timmendorfer Strand zurückfahren. Hoffentlich kommen sie gut und gesund an.

Heute Nachmittag klingelt unser Telefon. Unsere Freunde sind glücklich wieder eingetroffen. Die Odyssee hat ein Ende gefunden. Wir hoffen auch ein glückliches. Sie sind jetzt in häuslicher Quarantäne, gehen aber schnellstens zu ihrem Arzt und lassen sich überprüfen, da eh einige Untersuchungen wegen anderer Geschichten anstehen. Aber sie sind froh und glücklich und guten Mutes.

Ach ja, die Einkaufsliste. Sie ist ganz schön lang geworden. Aber irgendwie ist uns unwohl dabei, in einen Supermarkt zu gehen und alles zu besorgen. Da fällt Doris ein, dass ein Lebensmittelsupermarkt im Nachbarort ja einen Online-Einkauf ermöglicht. Man kann die Ware bestellen, sie wird dort gepackt und der Kunde kann sie zu einem bestimmten Termin im Vorraum abholen. Bezahlen und weg. Aber Lebensmittel online kaufen? Das ist eigentlich nicht unser Ding. Wir möchten das Obst und Gemüse gerne sehen bevor wir es kaufen. Und auch das Frischfleisch und den Schinken. Fetten Schinken kaufen wir nämlich nicht. Und uns ist es auch sehr wichtig, den örtlichen Handel zu stärken. Aber besondere Zeiten erfordern auch besondere Taten. Also setzen wir uns mit unserem Einkaufszettel an den Computer und rufen die Seite des Supermarktes auf, dann auf Online Bestellung. Und los geht es. Das Programm ist, wenn man es kurz studiert und ausprobiert hat, übersichtlich und einfach gehalten. Obst und Gemüse – Frischfleisch – Konserven – Fertiggerichte, Süßes und Salziges. Und so weiter, und so weiter. Alles hübsch in Rubriken aufgeteilt. Nachdem wir am Anfang länger suchen mussten, geht es uns zum Schluss schnell von der Hand. Trotzdem ist eine knappe Stunde vergangen bis alles von der Liste angeklickt war. Aber nächstes Mal schaffen wir das in 20 Minuten. Aber die Überraschung kommt zum Schluss. Da steht: Geben Sie einen Termin ein, wann Sie die Ware abholen möchten. Wir geben ein: Dienstag. Der Computer: ausgebucht! Wir: Mittwoch. Computer: ausgebucht! Der Donnerstag geht dann endlich. Zwischen 12 und 14 Uhr steht die Ware für uns zur Abholung bereit. Alles okay. Aber für uns bedeutet das, wir müssen ein paar Kleinigkeiten heute noch im Ort besorgen, denn die reichen bis Donnerstag nicht mehr.

Also zum Bäcker und Brot gekauft. Doris bedankt sich bei der Bäckereifachverkäuferin ganz herzlich dafür, dass sie für uns aushält und dafür sorgt, dass wir jederzeit frisches Brot und Brötchen bekommen können. Selbstverständlich ist das in dieser Zeit nun wirklich nicht. Die Dame hinter dem Tresen hat sich wirklich über den Dank gefreut.

Mittwoch, 25. März

Gestern habe ich nicht geschrieben, denn es war ein etwas langweiliger Tag, von dem es wenig zu berichten gibt. Doris und ich haben gelesen, die Sonne im Garten genossen und ich habe einen Spaziergang gemacht. Doris hingegen ging walken. Aber da ist doch noch etwas, was ich erzählen muss. Als ich vom Spaziergang zurückkam, stand eine Dame in ihrem Garten und unterhielt sich mit ihrer Nachbarin, welche auf der Straße stand. Diese erzählte, sie wäre mit ihrem Mann auf Gran Canaria gewesen und wie schlimm und schrecklich dieser Urlaub gewesen sei. Ich hörte unfreiwillig mit, wie sie erzählte, sie müsse aber nicht in häusliche Quarantäne, obwohl sie am Sonntag erst zurückgekommen sei. Begründung: wir waren ja schon eine Woche in Quarantäne auf unserem Zimmer im Hotel. Ich machte einen großen Bogen um diese Frau, denn wenn sie vor drei Tagen erst in einem Flieger gesessen hat und dort mit vielen anderen Menschen auf engstem Raum zusammen war, die alle aus Spanien kamen, dann konnte sie sich sehr wohl angesteckt haben. Und die häusliche Quarantäne ist in diesem Fall doch wohl selbstverständlich. Aber manchen Menschen ist wirklich nicht mehr zu helfen.

Heute ist also Mittwoch. Die Sonne scheint und meine Doris müsste eigentlich zum Frisör. Aber der hat geschlossen. Sie jammert schon seit ein paar Tagen, dass ihre Haare zu lang sind. Und nun bestimmte sie ganz einfach, dass ich den Frisör bei ihr zu spielen hätte. Meinen Einwand, ich sei Kaufmann und kein Frisör, wischte sie ganz einfach weg. Du machst das schon! Nach dem Duschen kam sie mit einem Handtuch, wie einen Frisierumhang um die Schultern gelegt, und mit meinem Rasierapparat bewaffnet auf mich zu und verlangte ihren Haarschnitt. Was sollte ich tun? Ich sagte ihr noch, sie sei selber schuld, wenn sie hinterher wie ein gerupftes Huhn aussehen würde und ich würde jede Verantwortung ablehnen. Es half nichts. Also nahm ich den Langhaarschneider meines Rasierapparates und kürzte ihre Haare im Nacken. „Kopf runter, ich komme sonst nicht richtig dran“, befahl ich. Sie gehorchte wirklich. „ Ein wenig nach links, jetzt nach rechts“, gab ich Anweisung und rasierte die Haare im Nacken weg. „So, fertig“, sagte ich. Sie schaute in den Spiegel. „Na ja, so schlecht ist das gar nicht, aber noch viel zu lang. Da muss noch einiges ab.“ Gesagt getan, die Haare fielen weiter. Dann hatte ich die linke Seite kürzer als die rechte und stutze noch ein wenig. Am Ende war Doris zufrieden und ich stolz wie Oskar. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals irgendeinem Menschen die Haare schneiden würde. Normal ist das nicht, aber was ist in Corona-Virus-Zeiten schon normal.

Am Nachmittag machten wir einen Spaziergang auf der Promenade in Travemünde. Was uns auffiel war, dass heut viel mehr Menschen wieder in der Sonne spazierten als noch vor ein paar Tagen. Sehr viel ältere Menschen oder aber Eltern mit ganz jungen Kindern. Man konnte sich trotzdem gut aus dem Weg gehen. Sogar eine Strandbude war geöffnet. Auf unserem Spaziergang begegnete uns eine Freundin mit ihrer Bekannten aus Timmendorfer Strand. In gehörigem Abstand unterhielten wir uns. Sie hatte mit ihrem Mann die letzten Monate in Südspanien verbracht, so wie jedes Jahr. Sie ist in der ersten Märzwoche zurückgekommen, ihr Mann ist noch dort. Das machen sie immer so. Er bleibt bis nach Ostern, da er den Winter dort besser verträgt. Nur jetzt ist er in seiner Wohnung eingesperrt. Darf nicht raus, nur zum Einkauf oder zum Arzt. Gerne würde er zurückfliegen, bekommt aber keinen Flug. Das ist schon eine bescheidene Situation und sie macht sich natürlich Sorgen um ihn. Auch ihre Bekannte hat ein Problem. Ihr Mann ist an Demenz erkrankt und lebt seit Januar in einem Heim. Seit 14 Tagen darf sie ihn nun nicht mehr besuchen, da die Heime selbst für Eheleute gesperrt sind. Sie ist tieftraurig und ihr Mann versteht die Situation überhaupt nicht. Sie fragt sich, ob ihr Mann sie in vier oder sechs Wochen, sollte diese Krise dann vorbei sein, sie überhaupt noch erkennen wird. Wir setzten uns in der Nähe auf eine Bank in die Sonne. Herrlich. Nach einiger Zeit sagte ich zu Doris: „Weißt du, was eigentlich jetzt noch fehlt? Ein schönes Gläschen Wein. Soll ich mal in der Bude fragen, ob sie eins haben?“ Gesagt, getan, auf zur Kaffeebude. Der Zugang zu ihr war mit dicken Seilen und Flatterbändern abgesperrt. In Rufweite zu Ausgabe konnte man bestellen. Dann kam ein junger Mann, stellte die beiden Plastikbecher mit Weißwein auf ein Fass in Reichweite. Ich nahm sie, legte das Geld abgezählt auf das Fass und machte mich zurück auf den Weg zur Bank, auf der Doris saß. Wir genossen Sonne und Wein und machten uns später auf den Heimweg. Obwohl alles irgendwie unwirklich und beklemmend ist, sind wir froh und dankbar auf diesem wunderschönen Fleckchen Erde leben zu dürfen. Corona Virus hin oder Corona Virus her. Noch sind wir gesund und richten uns das Leben im Moment so gut wie möglich ein.

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